Alles nur gespielt?
Wie real dürfen Games und wie moralisch können sie sein? Macht ein Antikriegsspiel aus mir tatsächlich einen anderen Menschen? Wie tief können Games uns in ihren Bann ziehen, und was passiert mit der Wirklichkeit, wenn man sie durch die VR-Brille betrachtet? Ein Recap zu unserer MCS.1-Gesprächsrunde „Wirklichkeit und Games“.
Leicht ist es nicht, dem Konzept der Wirklichkeit auf die Schliche zu kommen, das macht uns Rosa Feigs, Beraterin aus unseren Reihen und Moderatorin an diesem Abend, schnell klar. Wer es mit der Wirklichkeit aufnimmt, darf Descartes zitieren, Plato aus der Höhle zerren und die Welt ins Wanken bringen: „Alles ist medial vermittelt. Auch die Luft kann als Medium gelten. Wir nehmen die Welt also niemals pur wahr.“ Wir haben uns längst damit abgefunden: Es gibt sie nicht, die eine nackte Wahrheit. Die Wirklichkeit ist, so der philosophische Konsens, vielmehr ein Konstrukt unserer sinnlichen Wahrnehmung. Pluralistisch, subjektiv und sozio-kulturell variabel.
Schlimm ist das nicht, denn wir haben kein Problem mit künstlichen Welten. Im Gegenteil, im fantasievollen Spielen entwickeln wir unsere Persönlichkeit. Nicht von ungefähr erfanden wir Menschen die Beschreibung des Homo ludens, also des spielenden Menschen. Mit der „willing suspension of disbelief“, dem bewussten Aussetzen der Ungläubigkeit, bezeichnete der Lyriker Samuel Coleridge schon Anfang des 19. Jahrhunderts unsere Bereitschaft, der Fiktion einer Geschichte zu glauben, jedenfalls vorübergehend. Da stehen wir nun – im Spannungsfeld zwischen Fiktion und Wirklichkeit, Fantasie und Vernunft, Spiel und Ernst, Schein und Sein.
Ein Spannungsfeld, in dem sich auch ein anderer, nicht minder großen Begriff verorten darf. Denn auch um Moral geht es an diesem Abend oft. Im Zentrum der Diskussion: ein Antikriegsspiel im Entwicklungsstadium, unsere geladenen Referenten, Julian Bärlin und Dr. Marius Raab, unsere Redakteurin und begeisterte Gamerin Katharina Trautvetter sowie ein ziemlich heterogenes Plenum aus Gamern und Nicht-Gamern. Die Moral bringt vor allem Julian Bärlin ins Spiel. Seines Zeichens Indie-Entwickler bei Totally Not Aliens aus Bamberg wünscht er sich eine kritischere Auseinandersetzung mit Ethik und Moral in der (digitalen) Welt. Davon überzeugt, dass die meisten Spiele ein nur sehr oberflächliches Moralsystem inszenieren, das Spieler kaum dazu bewegt, ihr eigenes Handeln zu hinterfragen, entwirft er derzeit ein Antikriegsspiel. Mit „All Quiet in the Trenches“ finden wir uns in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs wieder. Es ist ein narratives Spiel, das mit Storytelling überzeugen will. Ohne aber die Geschichte des ersten Weltkriegs in all ihrer realhistorischen Korrektheit wiederzugeben, sondern mit Avataren, Gefühlen und Soldaten, die einen mit ihren persönlichen Geschichten binden und so den Terror in den Schützengräben erfahrbar machen. Ein Spiel, das mit der medialen Konvention des „Gewinnen-Könnens“ bricht und sich in seiner Dramaturgie entfernt an „Paper & Pen“-Rollenspielen orientiert.
„Wir wollen nicht nur unterhalten werden. Auch Dinge, die uns moralisch herausfordern, bringen uns weiter und eröffnen uns neue Perspektiven.“
– Dr. Marius Raab
„Die Sprache des Designs – Wirklichkeit und wahre Schönheit“
mit Prof. Dr. Thomas Friedrich.